Von einem der auszog, das Glück zu finden.
Mit dem Sieg Preußens über das Kaiserreich Frankreich und der anschließenden Gründung des Deutschen Kaiserreiches 1871 beginnen für weite Teile der deutschen Bevölkerung einige Jahrzehnte des Aufschwungs und des wachsenden Wohlstandes. Besonders die Bürger in den Städten können davon profitieren, während die Land- bewohner weniger begünstigt sind. Den ländlichen Grundbesitzern verschafft der Aufschwung Vorteile über die steigende Nachfrage und bessere Preise für ihre Produkte. Aber für die Kleinbauern und landlosen Häuslinge verbessert sich die Lebenslage meist nicht. Auch in Schwalingen ist das nicht anders. Besonders die kleinen Bauern und die Häuslinge können von ihren Einkünften aus der Landwirtschaft den Lebensunterhalt ihrer Familien nicht bestreiten. Sie alle müssen durch Nebenerwerb ihr Einkommen aufbessern. Als Tagelöhner gehen sie zum Grasmähen nach Holland, stellen hölzerne Haushaltsgegenstände und Schuhe her oder stricken wollene Socken, die im ambulanten Handel in der Umgegend verkauft werden. Als in den späteren 1870er Jahren die Nachrichten und Bedingungen für eine Existenzgründung in den neuen Bundesstaaten der Vereinigten Staaten von Amerika immer besser und verlockender werden, entscheiden sich auch viele Schwalinger und Schwalingerinnen, allein oder mit ihren Familien das enge Dorf zu verlassen und auszuwandern. In den nächsten 40, 50 Jahren vergeht wohl kein Jahr, in dem nicht im Dorf die Rede davon ist, dass die oder der die Heimat verlässt, um sich in Nebraska, Idaho oder Dakota neu anzusiedeln. Auch der Häusling Peter Christoph Röhrs wird sich mit seiner Ehefrau Anna Maria, geborene Reinke, Gedanken über die Zukunft der Familie gemacht haben, als sie im Juli 1871, im Jahr der Gründung des Deutschen Kaiserreiches, in Schwalingen heirateten. Peter Christoph Röhrs *1838 ist zu der Zeit 22 Jahre alt. Seine Vorfahren waren über viele Jahrhunderte Meier des Halbhofes "Schmeers" zu Schwalingen No.30. Als nachgeborener Sohn wurde bereits sein Großvater Häusling zu Schwalingen. Seit 1825 ist der Halbhof "Schmeers" nicht mehr im Besitz der Familie Röhrs - der letzte Röhrs auf dem "Schmeers-Hof", Hinrich Jürgen, unverheiratet und krank, verkaufte ihn kurz vor seinem frühen Tod an den Schwalinger Brinkköthner Hans Peter Böhling, "Menken-Hof" zu Schwalingen No.39. Anna Maria Reinke stammt ebenfalls aus einer Schwalinger Familie. Ihr Urgroßvater Harm Reinke, Schäfer zu Schwalingen, gründete im Jahre 1786 die Neubauerstelle "Harm" zu Schwalingen No.25. Während der Schwalinger Gemeinheitsteilung und Verkoppelung verlegte dann ihr Vater Hans Hinrich Reinke die Hofstelle an den Ostrand des Dorfes und errichtete dort im Jahre 1846 ein neues Wohn- und Wirtschaftsgebäude mit Gaststätte, Schwalingen No.33. Hier wurde Anna Maria Reinke im Februar 1849 geboren. Peter Christoph Röhrs bleibt mit seiner Familie nach der Heirat im Jahre 1871 in Schwalingen. Er entscheidet sich nicht für das Auswandern - er wird Handelsmann im ambulanten Handel. 1873 wird Tochter Anna Catharina Maria geboren, 1878 folgt der Sohn Hinrich Christoph August. Offensichtlich hat Peter Christoph Röhrs einiges Talent und wohl auch Glück in dieser Zeit. Sein Geschäft entwickelt sich gut. Aber der Markt für seine Waren ist auf dem Lande eher begrenzt. Zu Beginn der 1890er Jahre entschließt er sich, mit seiner Familie sein Heimatdorf zu verlassen und in die Stadt zu ziehen, nach Hamburg, in das Karolinenviertel, Neue Rosenstraße No.45, Haus-No.8. Hier werden die Söhne Otto und Rudolf geboren. Während Peter Christoph Röhrs weiterhin als Handelsmann seinen Geschäften nachgeht, besuchen seine Söhne Hamburger Schulen. Anschließend gehen sie in die kaufmännische Lehre in der Textilbranche, werden hanseatische Kaufleute. Aber die Verbindung zu ihrem Heimatdorf Schwalingen verliert die Familie Röhrs nicht. Im Dezember des Jahres 1895, kurz vor dem Weihnachtsfest, heiratet Tochter Anna Catharina Maria Röhrs, 22 Jahre alt, in der St.Bartholomäuskirche zu Neuenkirchen den 28jährigen Musiker August Wilhelm Gebers, Anbauer auf dem Halbhof "Lümas" zu Schwalingen No.13. August Wilhelm Gebers *1867 stammt aus der alteingesessenen Schwalinger Familie Gebers auf dem Halbhof "Hinz" zu Schwalingen No.20. Als nachgeborener Sohn hatte sein Vater Johann Friedrich Gebers bei der Auflösung des Halbhofes "Lümas" dessen Haus mit Hofplatz mit einigen Grundstücken erworben - das Erbe von August Wilhelm. Außer den "Lümas-Hof" erbte August Wilhelm Gebers auch die musikalische Begabung von seinem Vater. Gemeinsam mit seinen Cousins, den Zwillingsbrüdern Christoph und Wilhelm Gebers vom Halbhof "Reuers" zu Schwalingen No.7, erfährt er eine weitergehende musikalische Ausbildung und musiziert über viele Jahre in der weithin bekannten Kapelle der Neuenkirchener Gebrüder Borstelmann. Die Entscheidung, sein Geschäft vom Lande in die Stadt zu verlegen, zahlt sich für Peter Christoph Röhrs aus. Besonders gute Geschäftsverbindungen kann er zu Kaufleuten im nahen Buxtehude knüpfen. Nach dem Tode seiner Ehefrau Anna Marie im Jahre 1904, beschließt Peter Christoph Röhrs mit 66 Jahren, sich zur Ruhe zu setzen. Seine beiden Söhne August und Rudolf erhalten von ihm jeder 10.000 Goldmark, um sich damit in Buxtehude eine Existenz aufzubauen. Sie gründen und erweitern mit diesem Vermögen vor und während des 1.Weltkrieges das Kaufhaus der Brüder Röhrs zu Buxtehude, Lange Straße 31-35. Beide Brüder heiraten Töchter aus alteingesessenen Buxtehuder Bürgerfamilien. Ihr Bruder Otto fällt im Frühjahr 1915 als Ersatz-Reservist des Hanseatischen Landwehr-Infanterie- Regimentes Nr.75 an der Ostfront. Als Ruhesitz wählt Peter Christoph Röhrs sein Heimatdorf Schwalingen. Er zieht bald nach dem Tod seiner Ehefrau um das Jahr 1906 zu Tochter Anna Catharina Maria und Schwiegersohn August Wilhelm Gebers auf den "Lümas-Hof". In den nächsten Jahren hilft er seinem Schwiegersohn bei der Verwaltung der Hofstelle und erlebt, wie seine beiden Enkelkinder heranwachsen: Enkelsohn Wilhelm Otto Gebers *1897 - der später für 4 Jahrzehnte Schwalinger Bürgermeister sein wird. Und Enkeltochter Anna Dora *1902 - sie wird später Wilhelm Hinrich Bruns heiraten, Neubauer “Kröger” zu Schwalingen No.24. Auf dem "Lümas-Hof" zu Schwalingen genießt Peter Christoph Röhrs den Erfolg seines Lebenswerkes und den Lebensabend. Er erlebt nicht mehr die Katastrophe des 1.Weltkrieges, den Tod seines Sohnes Otto, den Zusammenbruch des Deutschen Kaiserreiches. Peter Christoph Röhrs stirbt am 19.5.1914 in Schwalingen, 75 Jahre alt - 10 Wochen später beginnt der 1.Weltkrieg.
Mutige Entscheidung.
Alte und neue Wurzeln in Schwalingen.
Geschäftlich erfolgreich, gesellschaftlich anerkannt.
Ruhestand in der Heimat.
Heirat und Beruf.
- 2020
Halbhof “Schmeers”, Schwalingen No.30
im Hamburger Adressbuch für das Jahr 1893
August Wilhelm Gebers 1867-1918
August, Otto und Rudolf Röhrs mit Vater Christoph
Halbhof “Lümas”, Schwalingen No.13, um 1900
Peter Christoph Röhrs 1838 - 1914
aus dem Adressbuch von Buxtehude für das Jahr 1938