Renaturierung
am Schwalinger Bach
Das Bachbett verlegen in den “Uhlandswiesen”
15.September 2015
Was wird denn da gebaggert ?
Der gelbe Bagger bei der Arbeit tief in der Weide ist schon von weitem zu erkennen. Hohe
Erdhaufen türmt er auf und zieht eine gewundende Rinne am nördlichen Hang der
„Uhlandwiesen“. Hier entsteht das neue Bachbett für den Schwalinger Bach, naturnah
ausgeformt, mit Mäandern und sanften Uferböschungen. Ein weiteres schönes Naturprojekt
in Schwalingen.
„Wir freuen uns sehr, dass nach dem gelungenen Umbau des alten Stauwehrs zur
Fischtreppe und naturnaher Gestaltung des Unterlaufes am Schwalinger Bach nun auch
diese 2.Phase der Renaturierung in der Umsetzung ist“, stellt Ortsbürgermeister Dirk
Schröder fest. Nach gut eineinhalb Jahren Planung und Vorbereitung wird eine Idee nun
Wirklichkeit:
Im Zuge der Planungen zum Bau der Fischtreppe im Jahr 2013 kam die Frage auf, ob man
nicht noch mehr tun könnte für den Schwalinger Bach, ob es vielleicht möglich wäre, seinen
bisher so schnurgeraden Lauf auch weiter oberhalb in ein mäandrierendes Bachbett mit
natürlich geformten Uferbereich umzugestalten. Für Flora, Fauna und das Landschaftsbild
in den uralten „Uhlandswiesen“ wäre das ein weiterer, großer Gewinn.
Die Idee fand Freunde und in dem Schwalinger Landwirt und Rinderzüchter Jürgen
Schachtschneider auch sofort einen bereitwilligen Unterstützer. Ihm gehört eine große
Weide in den „Uhlandswiesen“, die der Lauf des Schwalinger Baches teilt. Er stimmte dem
Vorschlag spontan zu, den Bachlauf an den Rand der Weide zu verlegen und ihn dabei
naturnah zu gestalten. Das dazu erforderliche Gelände stellte Jürgen Schachtschneider gern
zur Verfügung: „Für die Bewirtschaftung der Weide ist es ein Vorteil, wenn der Bachlauf am
Rand verläuft und für die Natur ist es von Vorteil, wenn der Bach nicht mehr in das enge
gerade Bett gedrängt ist“. Auch als Vorsitzendem der Schwalinger Jagdgenossenschaft ist
dieses Projekt ganz nach Jürgen Schachtschneiders Vorstellungen von praktiziertem
Naturschutz.
Gefallen an dem Plan fand auch Familie Meyer („Bargmeyer“) und stellte gern ein westlich
angrenzendes Stück Brachland für den neuen Bachlauf und die Begleitanpflanzung zur
Verfügung.
Richtig in Schwung kam das Projekt, als Ende 2014 / Anfang 2015 durch Bewilligung von
Mitteln des Landes Niedersachsen durch den NLWKN (Niedersächsischer Landesbetrieb für
Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz) die Finanzierung gesichert werden konnte und die
Naturschutzstiftung Heidekreis mit Geschäftsführer Matthias Metzger die Projekt-
trägerschaft übernahm. Eine Reihe von Ortsbesichtungen mit Genehmigungsbehörden,
Gemeindverwaltung, Unterhaltungsverband Mittlere Wümme folgte, dann war auch der
„amtliche“ Teil zu aller Zufriedenheit geregelt und die Genehmigung der Wasserbehörde für
die Maßnahme erteilt.
Nun, Anfang September 2015 war es Zeit für die Durchführung der Arbeiten, rechtzeitig
vor Beginn der nassen Jahreszeit mit steigendem Wasserstand im Schwalinger Bach. Die
Wasserbaufirma Fuhrhop, Walsrode, führt die Arbeiten aus. Sie ist erfahren in diesen
Aufgaben und ist auch mit der jährlichen Grabenräumungen entlang des Schwalinger
Baches beauftragt.
In diesen Tagen war die letzte Feinabstimmung vorort angesetzt und nun hat der
Unternehmer das Ganze in der Hand. In wenigen Tagen wird alles erledigt sein. Dann wird
der Schwalinger Bach sich hier über viele Hundert Meter durch sein neues Bett schlängeln
und Tieren und Pflanzen neuen Lebensraum bieten.
Der Schwalinger Bach in seinem neuen Bachbett
in den “Uhlandswiesen”, das Flora und Fauna viel
Raum bietet, sich natürlich zu entwickeln.
28.September 2015
Ein historischer Augenblick …
ist es, als der Wasserbauer Fuhrhop jr. mit seiner Baggerschaufel den noch verbliebenen
Damm zwischen dem neuen und dem alten Bett des Schwalinger Baches langsam abträgt.
Rundherum die uralten “Uhlandswiesen”, nahebei der Platz, den die Schwalinger “Ole
Dörpstää” nennen, vielleicht die älteste Siedlungsstelle des Dorfes Suanlo oder Schwalingen,
wie es heute heißt.
Mitten durch die “Uhlandswiesen” zieht sich, fast wie ein Graben, das schnurgerade Bett
des Schwalinger Baches. Das war nicht immer so. Noch bis in die Zeit um 1850 hatte der
Schwalinger Bach hier kein Bett. Er ergoss sich von Osten in die “Uhlandswiesen” und fand
im Westen seinen natürlichen Weg in den “Mehlandsbach”.
Nach der Gemeinheitsteilung und Verkoppelung in Schwalingen, ab 1850, wuchs das
Interesse der Schwalinger Bauern, diese wertvollen Wiesen besser nutzen zu können. Das
notwendige Fachwissen dafür hatten die Wiesenbauer von der Wiesenbauschule in
Suderburg, sie formten die “Uhlandswiesen” zu Rieselwiesen um. Das für die Bewässerung
und Düngung der Wiesen notwendige Wasser lieferte der Schwalinger Bach, der nun zu
diesem Zweck erstmals ein Bett bekam: an der Nordseite der “Uhlandswiesen”, am Hang des
“Westerfeldes” entlang. Die Wiesen wurden planiert und bekamen ein leichtes Gefälle,
damit sich das Wasser langsam und gleichmäßig über die Fläche ausbreiten konnte. Das
überschüssige Wasser des Baches fing ein weiteres Bachbett auf, das entlang der Südgrenze
der “Uhlandswiesen” verlief. Geregelt wurde die Berieselung der einzelnen Wiesenparzellen
durch Stauwehre, die mit Schottbrettern versehen waren. Nach genau festgelegtem Ablauf
wurden sie geöffnet bzw. geschlossen.
“Ja, das haben die ‘Suderburger Wischenmoker’ damals hier gebaut, im Auftrag der
Gemeinde Schwalingen. Viel Geld hat das wohl gekostet, aber auch gelohnt” erinnert sich
“Schün Karl” (Karl Witte *1932, Schün-Hof zu Schwalingen No.4) an die Erzählungen der
Alten in seiner Kindheit “das muss eine große Baustelle hier gewesen sein und alles in
Handarbeit”. Auch “Cohrs August” (August Witte 1931-2013, Cohrs-Hof zu Schwalingen No.5)
erinnert sich an die alten Rieselwiesen:”Als kleiner Junge bin ich immer gern mit meinem
Vater in die Wiesen gegangen, um die Schottbretter umzustecken, wenn es an der Zeit war.
Es war wunderbar zu sehen, wie das Wasser sich in die Wiese ergoss und vom Boden und
Gras aufgenommen wurde. Manchmal gab es auch Ärger zwischen Wiesennachbarn, wenn
das Wasser im Bach knapp war, ja, ja.” Eine andere Erinnerung hat Wiegand
Schachtschneider (+2015, Schnier-Hof zu Schwalingen No.9) aus den 1950er Jahren: ”Die
Wiesen waren sehr fruchtbar, aber auch so weich, dass kein Gespann darin fahren konnte.
Das Heu mussten wir auf dem Rücken heraustragen. Mann, was für eine Arbeit im Sommer”.
Als dann die Traktoren in Schwalingen Einzug hielten, kam mit ihnen in den 1960er
Jahren auch das Ende der Rieselwiesen. Statt des Bachwassers sollte nun Jauche die Wiesen
düngen und auch das Grasmähen und Einbringen des Heus sollte mit Treckerkraft
erleichtert werden. Dazu mussten die Wiesen befahrbar sein, das Bett des Schwalinger
Baches entlang der Tiefe der “Uhlandswiesen” verlegt werden, wo er die gewünschte
Entwässerung der Wiesen leisten konnte. An diese Arbeit erinnert sich Jürgen
Schachtschneider, die er als Junge mit seinem Vater Wiegand miterlebte:”Natürlich alles in
Handarbeit. Den Bachlauf möglichst schmal und gerade, weil das am Einfachsten war,
zweckmäßig und weniger Arbeit. Mit dem Aushub wurde der alte Bachlauf verfüllt. Die
ganze Erdbewegung mit den kleinen Treckern und Wagen damals. Hydraulik gab’s ja noch
nicht, die Kipper hatten Handkurbeln und Zahngestänge. Ich weiß noch, wie mein Vater den
neuen Gummiwagen beim Abkippen auf den Kopf stellte, oh Mann.”
Inzwischen hat Wasserbauer Fuhrhop jr. den Damm des neuen Bachlaufes durchstochen
und mit dem Aushub den alten Lauf blockiert. Das Wasser im Schwalinger Bach staut einen
kurzen Moment, dann ergießt es sich erst langsam, dann schneller werdend in den neuen
Bachlauf, der großzügig Raum bietet für Tiere und Pflanzen.
Ein historischer Augenblick ? Ja, natürlich. Und jedenfalls ein guter Augenblick in der langen
und wechselvollen Geschichte des Schwalinger Baches in den uralten “Uhlandswiesen”.