Juli 2015
Es ist Sommer in Schwalingen, Juli 2015. Wie jeden Tag leert Dirk Schröder seinen Briefkasten am
Haus, wie jeden Tag erwartet er die übliche Post, Rechnungen, Reklame, eigentlich nichts Besonderes. Doch
dann hält er einen großen braunen Umschlag in der Hand, von einer Art und einem Format, die
hierzulande unüblich sind. Das Interesse steigt, als Dirk Schröder erkennt, dass der Umschlag aus Amerika
kommt, aus den USA, Post Auburn in Nebraska. Der Absender ist „GARY L. ROGGE“.
Im Umschlag entdeckt Dirk Schröder einen Brief in deutscher Sprache, der an ihn als
Ortsbürgermeister von Schwalingen gerichtet ist und einige Fotos. Gary Rogge erklärt darin, dass seine
Großmutter Emma Böhling vom Schwalinger Schmeers-Hof stammt und 1894 nach Amerika kam. Sein
Großvater Rogge wurde in Grauen geboren und kam im Alter von 4 Jahren nach Amerika, im Jahre 1868. Die
Wurzeln der Familie Rogge sind in Lünzen und Fintel.
Dann erklärt sich, warum auf den Fotos im Umschlag das Schwalinger Denkmal und Grabsteine vom
Schwalinger Friedhof zu erkennen sind: Gary Rogge berichtet, dass er in früheren Jahren schon mehrmals
Schwalingen besucht habe und nun beabsichtigt, erneut nach Schwalingen zu kommen. Er hat Interesse
daran, dass Dirk Schröder ihm den Platz zeigt, wo früher der Schmeers-Hof stand.
Wie fand Gary Rogge denn Namen und Anschrift von Dirk Schröder als Ortsbürgermeister ? Auch
das erklärt sich beim weiteren Lesen des Briefes: „Schwalingen’s website ist super“, schreibt Gary Rogge. Da
findet man natürlich nicht nur Altes und Neues aus Schwalingen, sondern auch die Kontaktmöglichkeiten.…
Und dann sitzt Gary Rogge mit Dirk Schröder in dessen Büro in Schwalingen. Gary Rogge ist mit
dem Auto gekommen, das er für seine große Rundfahrt in Europa gemietet hat: Deutschland, Ungarn,
Österreich steht auf dem Reiseplan. Überall werden Verwandte besucht oder Plätze, wo früher Verwandte
gelebt haben. Gary Rogge ist Farmer in Nebraska, Nemaha County, gewesen. Sein Sohn hat die Farm
übernommen, als sich Gary Rogge zur Ruhe setzte. Das war dann auch der Zeitpunkt, von dem an Gary
Rogge begann, „alle paar Jahre“ die Heimat seiner Vorfahren zu besuchen.
Immer wieder mischen sich deutsche Worte in das Amerikanisch von Gary Rogge, z.B. benutzt er
das Wort „Bauer“, wenn er von der Landwirtschaft in Nebraska erzählt. Die Erinnerung an seine
Großmutter Emma ist noch sehr lebendig bei Gary Rogge. Er hat sie bis zu seinem 15.Lebensjahr erlebt.
„Wenn wir mal einen Hasen geschossen hatten, dann bereitete sie daraus ‚Hasenpfeffer‘, richtig lecker“
erinnert sich Gary Rogge. Das Wort „Hasenpfeffer“ gibt es nur auf Deutsch und er hat es nicht vergessen
über die vielen Jahre.
Überhaupt ist Gary Rogge die Erinnerung an seine Großmutter sehr wertvoll, sie wird ihn sehr
beeindruckt haben. „Sie hat schwer gearbeitet in ihrem Leben und die Familie hochgebracht, 8 Kinder hat
sie aufgezogen“, erzählt Gary Rogge. Für ihn ist es selbstverständlich, sich um die Familiengeschichte zu
kümmern und sich darin auszukennen. Dann wird Gary Rogge doch nachdenklich:“Leider ist das eben
nicht mehr so selbstverständlich bei uns“, sagt er, „die Kinder, die junge Generation will davon nichts
wissen. Das ist schade – und es zeigt auch etwas über den Entwicklung unserer Gesellschaft und Kultur in
Amerika.“
An diesem Punkt kommt Gary Rogge auf Schwalingen zurück und auch auf die Seiten der
„GeschichtsWerkstatt Schwalingen“ im Internet, von denen er Zuhause in Nebraska viele angesehen hat.
„Ihr hier kümmert euch um eure Geschichte, um die Höfe und ihre alten Familien,“ freut sich Gary Rogge,
„und nicht nur darum, sondern ihr kümmert euch sogar um diejenigen, die das Dorf verlassen haben und
ausgewandert sind. Auf euren Webseiten hab‘ ich die Auswanderergeschichten von Familien gelesen, die
meine Nachbarn sind und viele mehr, von denen ich gar nicht wusste, dass sie aus Schwalingen stammen –
es ist großartig und gut zu wissen, dass ihr hier euch wirklich kümmert.“
Dann ist es für Gary Rogge Zeit aufzubrechen. Er hat an diesem Tag noch einige Punkte
anzusteuern, die er besuchen will – alles ist gut durchgeplant. Eine Frage noch: Gibt es noch deutsche
Kultur in Nebraska, in Amerika ? Gary Rogge lacht: “Ja, doch. Zweimal im Jahr findet in Omaha, Nebraska,
ein Fest mit deutscher Kultur statt – das “Maifest” und der “German Day”, das ist das Oktoberfest. Wir
fahren da auch hin.“ Dann ist Gary Rogge schon im Auto.
Dirk Schröder steht vor der Haustür und sieht dem Auto mit Gary Rogge nach. In der Hand hält er
den großen braunen Umschlag mit der Post aus Amerika. Irgendwie ist Nebraska in diesem Augenblick gar
nicht so unendlich weit weg von Schwalingen und die Zeit der Auswanderungen gar nicht so unendlich
lange her.
Besuch aus Amerika
die “Rogge” aus Lünzen in Amerika
und ihre Verwandten aus Schwalingen
Der Halbhof “Schmeers”
in Schwalingen, um 1930